Alles rund um die Vorsorgevollmacht, -verfügung und das digitale Erbe
Für Angehörige kommen meist früher oder später Fragen auf zu den Themen Patientenvollmacht, Patientenverfügung und vielem mehr. Um ein besseres Verständnis dafür zu bekommen, klären wir Ihre Fragen.
Was ist eine Vorsorgevollmacht?
Eine Vorsorgevollmacht ist eine einseitige Willenserklärung, die einem Auftrag ähnelt. Dabei legt eine Person, der Vollmachtgeber, fest, dass eine andere Person, der Bevollmächtigte, für sie entscheiden soll. Die Vorsorgevollmacht regelt somit eine Entscheidungsbefugnis, und zwar ausschließlich für die Bereiche, die in der Vollmacht festgelegt sind.
Der Vollmachtgeber kann dabei seine Wünsche genau festlegen. Es ist jedoch erforderlich, dass er selbst geschäftsfähig ist. Eine genaue vorherige Absprache, gute Kommunikation und Vertrauen zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten sind entscheidend für das reibungslose Funktionieren der Vorsorgevollmacht.
Fragen zu der Vorsorgevollmacht
- JEDER von uns kann durch Unfall, Krankheit oder Alter in die Lage kommen, dass er wichtige Angelegenheiten seines Lebens nicht mehr selbstverantwortlich regeln kann.
- Auch in dieser Zeit muss über die Dinge des Alltags entschieden werden. So müssen Rechnungen bezahlt werden, Briefe geöffnet und über andere wichtige Angelegenheiten, wie z. B. Umbaumaßnahmen für barrierefreies Wohnen und die Versorgung mit den notwendigen Hilfsmitteln, entschieden werden.
Mögliche Bereiche und Aufgaben können sein:
- Vermögensverwaltung, Rechtsgeschäfte in Vermögensangelegenheiten z. B. Konto führen, Rechnungen bezahlen, Haus/Wohnung oder Auto verkaufen
- Gesundheitssorge, z. B. Krankenhaus, Arzt oder Pflegedienst auswählen, Ihre Krankenakten lesen, Untersuchungen und Behandlungen erlauben, wie Blutabnahme, Impfung, das Anlegen einer Magensonde und Computertomografie
- Aufenthalts- und Wohnungsangelegenheiten z. B. Entscheidung, ob Sie in einem Pflegeheim oder zu Hause versorgt werden oder wer in Ihrer Wohnung leben darf
- Post- und Fernmeldeverkehr z. B. Ihre Post und E-Mails lesen, einen Telefon- oder Handyvertrag in Ihrem Namen abschließen oder kündigen
- Behörden, Gerichte z. B. Ausweise beantragen, Sie bei der Rentenversicherung vertreten, einen Anwalt beauftragen
- Todesfall, z. B. Entscheidung, wie und wo Sie beerdigt werden sollen
- Testament
- Heirat
- Gefährliche Operationen (Thema: Patientenverfügung; Frage des Umfangs der erteilten Vollmacht, Trennung Vorsorgevollmacht – Patientenverfügung möglich und durchaus sinnvoll → Datenschutz)
- Freiheitsentziehende Maßnahmen (nur, wenn ausdrücklich in der schriftlichen Vollmacht bezeichnet)
- Natürlich werden die eigenen Angehörigen beistehen und sich um Ihre persönlichen Angelegenheiten im Ernstfall kümmern, soweit möglich.
- Ohne Vorsorgevollmacht können sie aber keine rechtsverbindlichen Erklärungen oder Entscheidungen, wenn diese gefordert sind, abgeben, da die Angehörigen keine gesetzlichen Vertreter sind!
- Gesetzliche Vertretungsbefugnis hätten nur Eltern für ihre minderjährigen Kinder.
- Daher muss die Vollmacht rechtsgeschäftlich an Angehörige übertragen werden!
- Personen, denen Sie absolut vertrauen! Denn diese Personen entscheiden über sehr wichtige persönliche Dinge, wenn Sie es nicht mehr können. Es erfolgt keine (gerichtliche) Kontrolle.
- Ein oder mehrere Bevollmächtigte sind möglich, auch ein Hauptbevollmächtigter und ein Vertreter können festgelegt werden.
- Die Person muss auch geeignet sein: für die Aufgabe benötigt man Zeit und Kraft – nicht jede Person kann diese Aufgabe übernehmen.
- Beziehen Sie die gewünschte/n Person/en schon bei Abfassung der Vollmacht mit ein und besprechen Sie Ihre Vorstellungen.
- Sie haben keine Vertrauensperson, die diese Voraussetzungen erfüllt? Dann können Sie bei Betreuungsvereinen, Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Hospizvereinen nachfragen. Oder Sie bestimmen eine zusätzliche Kontroll-Person (z. B. einen Anwalt).
- Das Gesetz fordert in einigen Fällen eine schriftliche Vollmacht für die dann damit konkret verbundenen Befugnisse, d.h. mit einer solchen allgemeinen Formulierung werden nicht alle wichtigen und möglichen Situationen abgedeckt:
- Es wäre keine Einwilligung in ärztliche Untersuchungen, Heilbehandlungen oder medizinische Eingriffe, wenn hierbei Lebensgefahr besteht oder ein schwerer, länger andauernder Gesundheitsschaden zu erwarten ist, möglich, z. B. Herz-OP, Amputationen, auch Ablehnung oder Nichtfortsetzung von lebenserhaltenden oder lebensverlängernden Maßnahmen.
- In die zum Schutz Ihrer Person notwendige geschlossene Unterbringung oder andere freiheitsbeschränkende Maßnahmen z. B. Bettgitter kann nicht eingewilligt werden.
- Es wäre keine Einwilligung in Organspende an Ihrer Stelle möglich.
- Grundsätzlich gelten für Vorsorgevollmachten keine Formvorschriften.
- Es ginge also auch mündlich. Aber aus Gründen der Klarheit und der Beweiskraft, sollte eine schriftliche Abfassung erfolgen.
- Sie muss, anders als ein Testament, nicht eigenhändig geschrieben sein; nur eigenhändig unterzeichnet und mit Datum / ggf. Ort versehen.
- Eine Verwendung von Vordruckmustern ist möglich.
- Sonderfall Bank-Vollmacht: Unbedingt bei der Bank erkundigen. Oft sind hier gesonderte Vollmachten notwendig!
- Sie können, während Sie bei gesundem Verstand sind, Entscheidungen über Ihre Angelegenheiten durch einen Vertreter Ihres Vertrauens größtenteils festlegen und deren Inhalte bestimmen.
- Ohne eine Vorsorgevollmacht müsste das Betreuungsgericht eingeschaltet werden und dieses bestimmt einen geeigneten rechtlichen Betreuer. Dieser Betreuer entscheidet dann für Sie.
- Das gerichtliche Betreuungsverfahren ist kostenpflichtig. Es entstehen Gerichtskosten und der Betreuer kann den Ersatz seiner Aufwendungen geltend machen. Der Betreuer hat jährlich Rechenschaft gegenüber dem Gericht abzulegen.
Was ist eine Betreuungsverfügung?
Eine Betreuungsverfügung ermöglicht es, festzulegen, welche Person im Falle der Notwendigkeit einer gesetzlichen Betreuung als Betreuer eingesetzt werden soll. Ebenso kann darin bestimmt werden, wer namentlich ausdrücklich von dieser Aufgabe ausgeschlossen sein soll.
Zusätzlich können in der Betreuungsverfügung weitere eigene Regelungen getroffen werden. Hierzu gehört die Anweisung, bestimmte Wünsche und Gewohnheiten zu respektieren, sowie die Entscheidung, ob eine notwendige Pflege zu Hause oder in einem Heim, vielleicht sogar in einem bestimmten Heim, erfolgen soll.
Die Vorsorgevollmacht kann mit der Betreuungsverfügung verbunden werden. Es ist jedoch auch möglich, eine Betreuungsverfügung ohne Vorsorgevollmacht auszustellen.
Darüber hinaus kann die Betreuungsverfügung im Zentralen Vorsorgeregister registriert werden.
Was ist eine Patientenverfügung?
In der Patientenverfügung können spezielle medizinische Behandlungsmethoden bei festgelegten Diagnosen bzw. Indikationen gewünscht oder ausgeschlossen werden. Diese Regelungen sind für das ärztliche Personal verbindlich und müssen in den Situationen umgesetzt werden, in denen sie - wie in der Patientenverfügung beschrieben - eintreffen. Wer für medizinische Grenzfälle vorsorgen will, sollte unbedingt eine individuelle Patientenverfügung treffen.
Beratung ist ein Muss!
Gerade bei den sehr individuellen Auswirkungen der Ataxie-Erkrankung ist eine darauf abgestimmte Vorsorgevollmacht, ergänzt durch eine Betreuungsverfügung und eine Patientenverfügung, mit vorheriger eingehender Beratung durch einen Fachmann, z. B. einen Notar oder einen entsprechend qualifizierten Rechtsanwalt, zu empfehlen.
Vorsorge für Online-Aktivitäten - Digitales Erbe
Der Begriff „Nachlass im Netz“ bezieht sich auf die digitalen Hinterlassenschaften einer Person nach ihrem Tod. Dazu gehören verschiedene Arten von Daten und Inhalten, die online oder auf persönlichen Geräten gespeichert sind. Hier sind einige Beispiele:
- E-Mail-Postfach
- Guthaben bei Zahlungsdiensten
- Chat-Verläufe auf Facebook, Twitter, Instagram, WhatsApp…
- Bilder und Videos im Netz
- ...alles, was in einer Cloud gespeichert werden kann...
- Aber auch: Daten auf den eigenen Geräten wie Rechner, Smartphone, Tablet...
Fragen zum digitalen Erbe
- Im Grundsatz „JA“
- Urteil des Bundesgerichtshofes BGH Az. III ZR 183/17: Zugriff der Eltern auf das Facebook-Konto der verstorbenen Tochter
- Auch digitale Inhalte können vererbt werden.
- Erben treten in die Nutzungsverträge ein, die Verstorbene zu Lebzeiten etwa mit Musik-Streamingdiensten, E-Book-Anbietern, Cloud-Diensten oder eben mit sozialen Netzwerken geschlossen haben.
- Sind Zugangsdaten zu den Netzkonten den Erben, Bevollmächtigten oder Betreuern nicht bekannt, so müssen diese ihre Zugriffsberechtigung gegenüber den Anbietern erst nachweisen.
- Zeitaufwendig!
- Nachweis i. d. R. über den Erbschein oder die Kopie der Vollmacht, die an den Anbieter geschickt werden muss.
- Möglicherweise ist auch ohne weitere Infos durch den Erblasser der Umfang des digitalen Erbes nicht bekannt und kann auch nicht mehr oder nicht vollständig ermittelt werden.
- Die Zugangsdaten sicher aufbewahren, dann können die Erben jederzeit auf den digitalen Nachlass zugreifen.
- Überblick verschaffen: Übersicht mit all seinen Accounts samt Benutzernamen und Kennwörtern erstellen.
- Sicher aufbewahren: d. h. nicht in der Schreibtischschublade!
Und auch nicht in das Testament schreiben: wertvolle Zeit bis zur Eröffnung des Testaments könnte verloren gehen, die von den Erben hätte genutzt werden können, um z. B. auf Wunsch des Verstorbenen private Fotos, Videos oder Chatverläufe zu löschen. - Sicherung z. B. auf einen verschlüsselten USB-Stick speichern und diesen in einem Tresor oder Bankschließfach aufbewahren
- Erben/Bevollmächtigte sollten Dokumentation im Notfall auffinden.
- Information der Erben oder der bevollmächtigten Person zu empfehlen.
- Wichtig:in regelmäßigen Abständen aktualisieren!
- Bei einigen Online-Dienstanbietern besteht die Möglichkeit, Vorsorgemaßnahmen zu treffen, d. h. dort informieren über Bedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten.
- Erben sind berechtigt, Online-Nutzerkonten des Erblassers wie ihre eigenen zu nutzen, d. h. sie dürften die Daten und Konten einsehen und selbst nutzen oder Verträge kündigen.
- Ausnahme: andere Festlegung in der letztwilligen Verfügung!
- Vorsorge-Bevollmächtigte und Betreuer haben die gleichen Befugnisse – vorausgesetzt, sie wurden dazu von einem selbst oder durch ein Gericht ermächtigt.
- Um Irrtümer und Täuschungen zu vermeiden: Die Kontakte des verstorbenen Nutzers sollten über die Rechtsnachfolge oder die Stellvertreterfunktion informiert werden.
Und: In der Vollmacht festlegen, wer was sehen darf.
- Welche Videos, Fotos und Chatverläufe dürfen die Erben sehen und welche sollen sie unter keinen Umständen zu Gesicht bekommen?
- Testamentsvollstrecker als neutrale Person hinzuziehen, der dann die festgelegten Daten löscht.
- Daten auf den eigenen Geräten: Festlegen, was mit diesen gespeicherten Dingen passieren soll.