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Nicht genetisch bedingte Ataxien umfassen Krankheitsbilder wie die Multisystematrophie (MSA) und die Sporadische Ataxie unbekannter Ursache (SAOA), die im Erwachsenenalter auftreten und durch fortschreitende neurologische Degeneration charakterisiert sind. MSA ist eine seltene, progressive Erkrankung, die durch eine Kombination aus Bewegungsstörungen und autonomen Dysfunktionen definiert wird, wobei sich neurodegenerative Prozesse vor allem in den Basalganglien, dem Kleinhirn und dem Hirnstamm zeigen. Im Gegensatz dazu ist SAOA durch eine zerebelläre Ataxie ohne schwere autonome Störungen gekennzeichnet, wobei die genauen Ursachen und Krankheitsmechanismen beider Erkrankungen größtenteils unbekannt bleiben. Beide Erkrankungen führen zu erheblichen motorischen Einschränkungen und erfordern eine symptomorientierte Therapie, da derzeit keine kurativen Behandlungen bekannt sind.

Multisystematrophie (MSA)

Multisystematrophie (MSA) ist eine seltene, sporadische, progressiv verlaufende Erkrankung des mittleren und höheren Erwachsenenalters, die durch Neurodegeneration in den Basalganglien, im Kleinhirn, im Hirnstamm und den intermediolateralen Zellsäulen des Rückenmarks gekennzeichnet ist. Charakteristisches neuropathologisches Merkmal der MSA ist das Auftreten von Alpha-Synuklein-haltigen, oligodendroglialen, zytoplasmatischen Einschlusskörpern. Klinisch ist die MSA durch das gemeinsame Auftreten von zentralen Bewegungsstörungen (Parkinson-Syndrom, zerebelläre Ataxie) und schwerem autonomem Versagen gekennzeichnet. Je nach im Vordergrund stehender neurologischer Symptomatik wird zwischen einem Parkinson-Typ (MSAP) und einem zerebellären Typ (MSA-C) unterschieden. 

Das klinische Bild der MSA ist durch unterschiedliche Kombinationen aus Parkinson- Syndrom, zerebellärer Ataxie, Pyramidenbahnzeichen und autonomem Versagen gekennzeichnet. 

Bei einem Teil der MSA-Patienten beginnt die Erkrankung mit autonomen Störungen, wie Drangsymptomatik der Blase oder erektiler Dysfunktion. Die Parkinson-Symptomatik bei MSA-Patienten unterscheidet sich von der bei Patienten mit idiopathischer Parkinson- Krankheit vor allem durch das schlechtere Ansprechen auf L-Dopa. Etwa 75 % der MSA-P-Patienten haben eine akinetischrigide Parkinson-Symptomatik, die initial in etwa der Hälfte der Fälle einseitig ist. Im weiteren Verlauf entwickelt sich aber fast immer eine symmetrische Symptomatik. Tremor ist nur bei etwa 25 % der MSA-Patienten vorhanden. Die zerebelläre Ataxie bei der MSA-C ist wie bei vielen anderen degenerativen Ataxie- Erkrankungen durch Symptome gekennzeichnet, die auf eine diffuse Schädigung des Kleinhirns hinweisen. Aus diesem Grund ist eine Abgrenzung der MSA-C von anderen Ataxie-Erkrankungen, z. B. der sporadische Ataxie unklarer Genese, niemals aufgrund der zerebellären Symptomatik, sondern nur durch den Nachweis von Parkinson-Symptomen oder autonomen Funktionsstörungen möglich. 

Die zerebelläre Ataxie umfasst Gang- und Standataxie, Ataxie der Extremitäten, Aktionstremor, Sprechstörung und zerebelläre Störungen der Okulomotorik. Die Beteiligung der Pyramidenbahn bei der MSA zeigt sich meistens durch Steigerung der Muskeleigenreflexe und ein positives Babinski-Zeichen. Eine spastische Erhöhung des Muskeltonus ist nur bei sehr wenigen Patienten nachweisbar. Orthostatische Hypotonie (Absinken des Blutdruckes im Stehen) ist zusammen mit Störungen der Blasenfunktion die wichtigste autonome Funktionsstörung bei der MSA. Der orthostatischen Hypotonie liegt ein Ausfall des Baroreflexes zugrunde, der beim Wechsel von der liegenden in die aufrechte Position durch eine sympathisch vermittelte Gefäßkonstriktion und Herzfrequenzsteigerung das Versacken von Blut in Blutgefäßen der Beine verhindert. Die Störung des Baroreflexes wird dann symptomatisch, wenn der Blutdruckabfall zu einer Minderdurchblutung des Gehirns führt. Symptome der orthostatischen Hypotonie sind vielgestaltig und reichen vom Schwindel nach dem Aufstehen über „Schwarzwerden“ vor den Augen und unspezifischen Beschwerden bei längerem Stehen bis zum Bewusstseinsverlust (orthostatische Synkope). Die Funktion des Baroreflexes kann klinisch durch Blutdruckmessung im Liegen und nach dem Aufstehen (Schellong-Test) erfasst werden. Bei etwa der Hälfte der MSA-Patienten ist die orthostatische Hypotonie mit einer arteriellen Hypertonie (Bluthochdruck) im Liegen verbunden. 

Neurogene Blasenstörungen sind bei mehr als der Hälfte der MSA-Patienten vorhanden und nehmen im Verlauf an Häufigkeit und Schwere zu. Im Vordergrund steht meist eine Inkontinenz. Bei weniger als 20 % entwickelt sich zusätzlich eine Stuhlinkontinenz. Bei männlichen MSA-Patienten ist eine Erektionsstörung fast die Regel. Bei einigen geht die Erektionsstörung anderen Symptomen der MSA um Jahre voraus. Bei weiblichen MSA-Patienten ist häufig die genitale Sensitivität reduziert. Weitere autonome Funktionsstörungen sind vermindertes Schwitzen, das sich in einer Hitzeintoleranz äußern kann, und eine verminderte Herzratenvariabilität.

Eine charakteristische und früh im Krankheitsverlauf auftretende Störung ist die REM-Schlaf-Verhaltensstörung. Die REM-Schlaf- Verhaltensstörung äußert sich in nächtlichen zusammen mit Träumen auftretenden motorischen Aktionen, z. B. in Form tätlicher Angriffe auf den Bettpartner. Andere häufige Schlafstörungen bei MSA sind verstärktes Schnarchen und Schlaf-Apnoe-Syndrom. 

Das mittlere Erkrankungsalter der MSA beträgt etwa 55 Jahre. MSA verläuft unaufhaltsam progredient. Nach einer Latenz von 5 bis 6 Jahren werden MSA-Patienten rollstuhlpflichtig. Die mittlere Überlebenszeit nach Krankheitsbeginn beträgt 9 Jahre. Die häufigste Todesursache ist eine Bronchopneumonie.

Da es keine genetischen oder biochemischen Marker der MSA gibt, lässt sich klinisch nur eine mögliche oder wahrscheinliche Diagnose stellen, während für eine definitive Diagnose eine Autopsie und neuropathologische Untersuchung erforderlich sind. Der Nachweis von schwerem autonomem Versagen spielt eine wesentliche Rolle bei der Diagnosefindung. 

Apparative Diagnostik und Bildgebung dienen zum Ausschluss anderer Erkrankungen und können bei typischen Ergebnissen die Diagnose weiter unterstützen. Die MRT zeigt eine Atrophie des Kleinhirns, Hirnstamms und der Basalganglien sowie Signalauffälligkeiten im Hirnstamm (hot cross bun-Zeichen) und in den mittleren Kleinhirnstielen.

Derzeit ist keine kurative oder präventive Therapie der MSA bekannt. Die einzelnen Symptome der MSA sind in unterschiedlichem Ausmaß einer Therapie zugängig. Der stetig progrediente Gesamtverlauf der Erkrankung lässt sich aber durch keine dieser Therapien beeinflussen. Die Parkinson-Symptomatik wird mit L-Dopa behandelt. Eine wirksame medikamentöse Behandlung der Ataxie ist nicht bekannt. 

Die Behandlung muss sich daher auf übende Verfahren wie Krankengymnastik und Logopädie beschränken. Zur Behandlung einer symptomatischen orthostatischen Hypotension werden zunächst physikalische Maßnahmen durchgeführt (Stützstrümpfe, erhöhte Salzzufuhr, Schlafen mit erhöhtem Oberkörper, langsames Aufstehen). Bei Versagen dieser Maßnahmen kommt eine medikamentöse Behandlung mit Mineralokortikoiden und Sympathikomimetika in Frage.

Sporadische Ataxie unbekannter Ursache (SAOA)

Bei vielen Patienten mit sporadischer, im Erwachsenenalter beginnender Ataxie sind weder die diagnostischen Kriterien einer Multisystematrophie erfüllt, noch ergibt die Suche nach genetischen und erworbenen Ursachen irgendwelche Ergebnisse. Für diese Krankheitsgruppe wurde die (wertfreie) Bezeichnung Sporadische, im Erwachsenenalter beginnende Ataxie unbekannter Ursache (sporadic adult-onset ataxia, SAOA) vorgeschlagen. Ein anderer Name für die gleiche Krankheitsgruppe ist Idiopathische, spät beginnende zerebelläre Ataxie (idiopathic late onset cerebellar ataxia, IDLOCA).

SAOA ist eine der häufigsten Ataxie-Erkrankungen. Eine kürzlich in Wales durchgeführte epidemiologische Untersuchung ergab eine Prävalenz von 8,4:100.000.

Die Ursache und die Krankheitsmechanismen der SAOA sind unbekannt. Was sind die Symptome der SAOA? Bei allen Patienten mit sporadischer Ataxie ist zerebelläre Ataxie das im Vordergrund stehende Symptom. Bei etwa 20 % der Patienten treten Pyramidenbahnzeichen, bei etwa 70 % sensible Störungen auf. Schweres autonomes Versagen gehört (definitionsgemäß) nicht zum klinischen Bild der SAOA.

Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt wie bei der Multisystematrophie (MSA) bei 55 Jahren. Im Durchschnitt 11 Jahre nach Krankheitsbeginn benötigen SAOA-Patienten eine Gehhilfe. Die Lebenserwartung ist annähernd normal.

Die Diagnose einer sporadischen Ataxie ist nur durch sorgfältigen Ausschluss einer Multisystematrophie sowie genetischer und erworbener Krankheitsursachen für Ataxien zu stellen. Entscheidend für die Abgrenzung zur MSA ist die genaue Beachtung und Untersuchung autonomer Funktionsausfälle. Da sich das für die MSA typische autonome Versagen bis zu 10 Jahre nach Beginn der Ataxie manifestieren kann, ist die diagnostische Unterscheidung zwischen SAOA und MSA in den ersten Jahren nach Manifestation der Ataxie nicht sicher möglich. 

Zum Ausschluss genetischer und erworbener Krankheitsursachen müssen u. a. genetische Untersuchungen und eine Tumorsuche durchgeführt werden. Durch die Verbesserung der molekulargenetischen Diagnostik lassen sich heute bei vielen Patienten, die früher als SAOA diagnostiziert wurden, ursächliche, meist rezessive Genmutationen nachweisen. Ein Beispiel ist der Nachweis von RFC1-Mutationen bei Patienten mit spät beginnender Ataxie und Polyneuropathie. Die MRT zeigt eine Schrumpfung des Kleinhirns.

SAOA-Patienten sollten regelmäßig krankengymnastisch, logopädisch und ergotherapeutisch behandelt werden. Darüber hinaus sind keine wirksamen Therapien bekannt.