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Erworbene Ataxien, wie die alkoholbedingte Kleinhirndegeneration (AKD) und die paraneoplastische Kleinhirndegeneration (PKD), sind neurologische Störungen, die durch äußere Einflüsse oder systemische Erkrankungen verursacht werden. Die AKD resultiert aus langjährigem Alkoholmissbrauch und einer damit verbundenen Schädigung spezifischer Gehirnzellen, begünstigt durch Nährstoffmangel. Im Gegensatz dazu wird die PKD durch eine fehlgeleitete Immunantwort im Rahmen einer Krebserkrankung ausgelöst, oft bevor der eigentliche Tumor diagnostiziert wird. Beide Krankheiten führen zu schweren Koordinationsstörungen, die das Gehen, die Sprache und die Feinmotorik betreffen, und erfordern eine angepasste Behandlung des zugrundeliegenden Auslösers.

Alkoholbedingte Kleinhirndegeneration (AKD)

Die AKD entsteht durch die toxische Wirkung von Alkohol und seinem Hauptabbauprodukt Azetaldehyd. Zusätzlich spielt ein durch Fehlernährung verursachter Mangel an Vitamin B1 (Thiamin) eine entscheidende Rolle. Die AKD betrifft in erster Linie die Purkinjezellen der Kleinhirnrinde des Kleinhirnvorderlappens.

Hauptsymptom der AKD ist ein ataktischer Gang mit Fallneigung, der auch in Phasen von Nüchternheit vorhanden ist. Hoch charakteristisch für die AKD ist eine ausgeprägte Stand- und Gangataxie mit einem oft rhythmischen 3 Hz-Schwanken des Rumpfes nach vorne und hinten. Andere Zeichen einer zerebellären Störung wie Ataxie der Arm- und Beinbewegungen, Störungen der Okulomotorik und ataktische Sprechstörungen sind meist vergleichsweise mild oder fehlen ganz.

Die AKD kommt vor allem bei Männern im mittleren Lebensalter vor. Sie verläuft entweder rasch innerhalb von Wochen und Monaten oder langsam fortschreitend über Jahre. Entscheidend für die Prognose ist der weitere Alkoholkonsum. Bei vollständigem Alkoholverzicht kann es zu einer deutlichen Besserung kommen, während sich AKD-Patienten, die weiter Alkohol trinken, kontinuierlich verschlechtern. 

Außer der Erhebung von Krankengeschichte und Beobachtung des Patienten deuten eine Erhöhung der Leberwerte, des mittleren Erythrozytenvolumens (MCV) im Blutbild und des Carbonyl-defizienten Transferrins (CDT) auf eine Alkoholkrankheit hin. Die MRT zeigt eine Schrumpfung des Kleinhirns, die im Bereich des Vorderlappens betont ist. Wie kann man die AKD behandeln? Eine Behandlung der Alkoholkrankheit mit dauerndem vollständigem Verzicht auf Alkohol ist die wirksamste therapeutische Maßnahme. Zusätzlich sollte Vitamin B1 (Thiamin) verabreicht werden.

Paraneoplastische Kleinhirndegeneration (PKD)

Die PKD ist eine erworbene Ataxie, die durch eine Fehlregulation des körpereigenen Immunsystems als Folge eines bösartigen, außerhalb des ZNS gelegenen Tumors entsteht.

Es gibt keine verlässlichen Daten zur Epidemiologie der PKD.

Die häufigsten, der PKD zugrunde liegenden Tumoren sind das kleinzellige Bronchialkarzinom, das Mammakarzinom und maligne Lymphome. Viele PKD-Patienten haben zirkulierende antineuronale Antikörper, die aber die Kleinhirndegeneration nicht verursachen. Vielmehr entsteht die PKD durch die T-Zell-vermittelte Attacke des Immunsystems gegen Purkinjezellen der Kleinhirnrinde.

Typisch für die PKD ist das im Vergleich zu anderen Ataxie-Erkrankungen ungewöhnlich rasche Auftreten schwerer Ataxie- Symptome, d. h. Gangunsicherheit, Ungeschicklichkeit und undeutliche Sprechweise, innerhalb von Wochen. 

Bei manchen Patienten ergibt die Erhebung der Krankengeschichte Hinweise auf zugrunde liegende Tumor-Erkrankungen (Verlust an Körpermasse, Fieber, Nachtschweiß, Husten, Lymphknotenschwellung). Die PKD kann in jedem Lebensalter beginnen und führt meist innerhalb von Monaten zu schwerer Ataxie und Rollstuhlabhängigkeit. Die Lebenserwartung hängt von dem zugrunde liegenden Tumor ab. Bei einem Teil, aber nicht allen PKD-Patienten, lassen sich antineuronale Antikörper im Blut nachweisen. Das Fehlen der Antikörper schließt eine PKD nicht aus. 

Da die PKD oft vor der Diagnose des bösartigen Tumors auftritt, ist die wichtigste diagnostische Maßnahme eine ausgedehnte und sorgfältige Suche nach Tumoren. Sollte die Tumorsuche ohne Ergebnis bleiben, muss sie bei begründetem Verdacht in halbjährlichem Abstand über mindestens drei Jahre wiederholt werden. Die MRT zeigt oft trotz ausgeprägter Ataxie einen unauffälligen Befund im Bereich des Kleinhirns.

Von größter Bedeutung ist die zügige Diagnose und gezielte Behandlung des zugrunde liegenden, bösartigen Tumors. Darüber hinaus kommen immunsuppressive Behandlungen (Steroide, i. v. Immunglobuline, Plasmapherese, Cyclophosphamid) in Frage. Feste Therapieschemata gibt es nicht. Vielmehr muss ein individuelles therapeutisches Vorgehen gewählt werden.